Eine 60-jährige Kurdin, die seit 25 Jahren in Deutschland lebt, soll nach dem Willen des Ausländeramtes in Nürnberg in den Iran abgeschoben werden – inmitten der Corona-Pandemie, die den Iran besonders hart trifft. Die Familie hat eine Petition gestartet.
Das Ausländeramt der Stadt Nürnberg ist bekannt für seine rigorosen Entscheidungen zuungunsten von Migrant*innen. Der unglaubliche Fall der Faili-Kurdin Feyruz Rasekhy ist ein weiterer Beleg für Behördenwillkür und menschenfeindliche Entscheidungen, die auf die Vernichtung von Existenzen zielen.
Die Familie von Feyruz Rasekhy musste 1996 aus Bagdad fliehen, da Faili-Kurd*innen in der Diktatur des Saddam Hussein verfolgt wurden. In Deutschland begann die Familie ein neues Leben. Man lernte Deutsch, fand Arbeit, die Kinder gingen zur Schule.
Nach dem Sturz der irakischen Regierung sollte die Familie 2006 in den Irak abgeschoben werden. Der galt nun als „sicheres Land“. Nur durch die Intervention eines Anwalts konnte diese Abschiebung verhindert werden. Doch jetzt sollte die Familie Urkunden aus dem Irak beschaffen. Nach etlichen Jahren gelang dies dem Vater der Familie und den Kindern, denen dann letztlich die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt wurde – nach 20 Jahren des Aufenthalts in Deutschland.
Bei den Papieren der Mutter allerdings gab es Probleme. Sie waren trotz intensiver Bemühungen nicht aufzutreiben. Im Ausländeramt hatte man dafür kein Verständnis und berief sich auf die „Mitwirkungspflicht“ bei der Beschaffung von Dokumenten. Dass der Irak nicht nach den Prinzipien der deutschen Bürokraten arbeitete und Urkunden in den Kriegswirren verschwinden, scheint in den Nürnberger Amtsstuben nicht vorstellbar. Deshalb erhielt die mittlerweile psychisch schwer kranke Feyruz Rasekhy nur eine Duldung und musste täglich in der Ausländerbehörde vorstellig werden. Man drohte ihr permanent mit Abschiebung, wenn sie keinen Pass vorlegt, und machte ernsthaft den Vorschlag, die 60-Jährige solle alleine in den Irak reisen, um nach ihren Papieren zu forschen.
Letztlich stellte sich heraus, dass die hochbetagte Großmutter iranische Wurzeln hat, und nach langem Hin und Her erhielt Feyruz Rasekhy deshalb schließlich einen iranischen Pass, obwohl sie niemals im Iran lebte. Der Anwalt riet jedoch ab, dem Amt diesen Pass sofort vorzulegen. Erst sollten alle Voraussetzungen für die deutsche Staatsangehörigkeit erfüllt sein. Schließlich – nach fünf Jahren – wurde der Ausländerbehörde der iranische Pass vorgelegt. Doch statt des erwarteten Endes der Odyssee wurde die Kurdin jetzt wegen „Erschleichung eines Aufenthaltstitels“ angeklagt und sie sollte 1.000 Euro zahlen. Ihre Duldung wurde aufgehoben und ihr wurde aktuell die Abschiebung in den Iran angekündigt. Ihre Arbeitsstelle bei Siemens muss sie kündigen, weil sie keinen Aufenthaltstitel hat. Das bedeutet: Verlust des Einkommens und der Krankenversicherung.
Das Nürnberger Ausländeramt will allen Ernstes eine 60-jährige, schwer kranke Frau abschieben. Sie soll ihren Ehemann, ihre Kinder und Enkelkinder verlassen und in ein Land abgeschoben werden, das sie nicht kennt. Die Familie und Freund*innen gehen jetzt in die Öffentlichkeit und haben eine Petition gestartet. Sie fordern ein Bleiberecht für Feyruz Rasekhy und bitten um Unterstützung.
Abschiebungen in den Iran trotz Pandemie
Trotz Coronavirus-Pandemie sollen zwei Frauen aus Deutschland mit einem Charterflug in den Iran abgeschoben werden. Pro Asyl kritisiert das Vorgehen des Bundesinnenministeriums mit scharfen Worten.
Obwohl der Flugverkehr weltweit praktisch eingestellt ist, hat das Bundesinnenministerium (BMI) ein Flugzeug gechartert, um nächste Woche zwei Frauen in den Iran abzuschieben. Wie Pro Asyl berichtet, kam eine der beiden Betroffenen gemeinsam mit ihrem Verlobten nach Deutschland. Er durfte aufgrund von Herzproblemen nach Deutschland einreisen und befindet sich nun im Asylverfahren. Seine Verlobte wurde im Flughafenverfahren direkt im exterritorialen Bereich des Flughafens abgelehnt und befindet sich in der Transitzone in Abschiebungshaft. Im Eilverfahren wurde ihre Abschiebung angeordnet.
Pro Asyl hält das Beharren des BMI auf einer Charter-Abschiebung in eines der größten Corona-Risiko-Gebiete der Welt für absurd und unverantwortlich. Der gesamte Iran gilt laut Robert-Koch-Institut aufgrund von Corona als internationale Krisenregion. Mehr als 29.000 Menschen sind infiziert, über 2.200 Menschen bereits an dem Virus verstorben (Stand: 27.03.). Aufgrund weniger verlässlicher Daten über die Zahl der Infizierten sowie der Todesfälle geht die WHO sogar von einer fünfmal höheren Dunkelziffer aus. Expert*innen rechnen laut Deutsche Welle aktuell damit, dass die Zahl der Todesopfer im Iran bis Ende Mai auf 3,5 Millionen ansteigen könnte.
Die Lage im Iran ist nicht zuletzt wegen einer fehlenden medizinischen Infrastruktur dramatisch. Die meisten Airlines fliegen das Land nicht mehr an. Auch der reguläre Flugverkehr aus Deutschland in den Iran ist eingestellt. Und was macht die Bundesregierung? Mietet eigens für diese Abschiebungsmaßnahme ein Flugzeug in die Krisenregion.
Pro Asyl fordert den sofortigen Stopp dieser Abschiebung sowie einen generellen Abschiebungsstopp aufgrund der weltweiten Ausbreitung des Corona-Virus. Betroffene müssen davor geschützt werden, in Länder mit fragilen Gesundheitssystemen abgeschoben zu werden, in denen die Auswirkungen von Corona katastrophal werden können oder dies – wie im Fall des Iran – bereits sind.
Auch in Deutschland ist nichts mehr wie noch vor ein paar Wochen. Die Grenzen zu benachbarten Corona-Krisenregionen sind weitestgehend dicht, der Flugverkehr ist auf ein Minimum zurückgefahren, die Straßen vielerorts wie leergefegt. Auch für Schutzsuchende und Menschen mit Aufenthaltstitel oder Duldung hat das weite Konsequenzen. Behörden bleiben geschlossen und schalten auf digitales Arbeiten um, Dublin-Überstellungen sind ausgesetzt, Asylanträge werden nun schriftlich gestellt. Ein Abschiebungsstopp würde für die Betroffenen, aber auch für Behörden und Gerichte Rechtssicherheit bedeuten.
ANF